Ein Gastpost von Aurelia von Geekgeflüster.
Konzepte von Stärke: “The difference between you an me is book knowledge and street smarts.”
Damit werden zwei komplett verschiedene Entwürfe aufgemacht, die beide ihre Pros und Cons haben – darauf will ich nicht hinaus – deren Vergleich aber sehr spannend sein kann, gerade wenn man sich einmal die Frage stellt, wo eigentlich jetzt Klischees bei Frauenfiguren beginnen und wo sie aufhören.
Was ist eigentlich der gemeinsame Nenner dieser Figuren?
Das, was bleibt, ist eine Fähigkeit zu einer gewissen Selbstständigkeit, die Fähigkeit, sich auf irgendeine Weise zu verteidigen, zu schützen oder zumindest sich zu helfen zu wissen. Katniss ist während der Hungerspiele darauf angewiesen, sich um sich selbst zu kümmern und aus eigener Kraft (sprich: körperlich) für sich zu kämpfen, die psychischen Faktoren, die ihr Tiefe verleihen, folgen erst in einem zweiten Schritt. Hermine definiert sich über eine sehr lange Zeit vor der Schlacht um Hogwarts hinweg sehr stark darüber, dass sie im Zweifelsfall immer in der Lage ist, mit Büchern und Wissen Probleme zu lösen. Harry will herausfinden, ob Malfoy die Kammer des Schreckens geöffnet hat? Hermine recherchiert einen Trank, damit das Trio sozusagen “undercover” Malfoy dazu befragen kann.
Oder um noch ein Vergleichsbeispiel zu geben: Lagertha aus Vikings ist eine Schildmaid, eine Kämpferin und wer blöd genug ist, sich mit ihr im Kampf anzulegen, zieht oft genug den kürzeren, auch wenn sie (ähnlich wie Katniss) in einem zweiten Schritt z.B. über ihre Familie und ihre politischen Ambitionen mehr Tiefe verliehen bekommt. Sie kann sich körperlich wunderbar verteidigen und wirkt so sehr leicht, sehr stark. Cersei Lannister dagegen ist (obwohl sie wie Lagertha viel an Tiefe über ihre Familie erhält) in den engen Rahmen ihrer Rolle als Königin(-mutter) gezwängt und kann so als Lady von Ansehen und Stand offiziell nur über Taktik und Manipulation agieren. Sich mit ihr anzulegen, ist dennoch gelinde gesagt eine dumme Idee (Hallo, Ned Stark!), einfach weil sie immer weiß, welche Fäden sie ziehen muss, um sich selbst gegen ihre Gegner zu verteidigen. (Und wo wir schon bei den Lannister-Kindern sind: Dasselbe lässt sich übrigens im Vergleich auch auf den als idealen Ritter und körperlich starken Jamie im Vergleich mit dem Zwerg, aber dafür hochintelligenten Tyrion anwenden und ist damit also wie gesagt kein rein weibliches Phänomen.)
Die Lösung zwischen starken Figuren und Klischee? Es ist kompliziert.
Und damit ist auch die entscheidende Schwelle zwischen Klischee und einer spannenden Figur erreicht: Die meisten Figuren dürften im Kopf eines Autors als recht rohe Stereotypen, als Klischees beginnen, der Knackpunkt sind die Ebenen, die auf diese erste grobe Form gelegt werden.
Zurück zu meinem Beispiel Cersei: Das Klischee in ihrem Fall wäre wohl das der manipulativen Hexe, die skrupellos mordend dem Rest der Welt das Leben schwer macht. Ein Klischee, das (im übrigen wie z.B. dass Gift die Waffe der Frauen sei) uralt ist. Das Motiv von Herrscherinnen bzw. weiblichen Adeligen, die angeblich dreimal so manipulativ sind wie alle anderen am Hof, gibt es schon bei antiken Geschichtsschreibern. (Die Klischee-Variante wäre z.B. konkret Milady aus Die drei Musketiere, auch wenn ich diesen Roman eigentlich sehr liebe.) Der Punkt, an dem sie über dieses Klischee hinaus geht, ist der, an dem ihre Familie ins Spiel kommt: Die – sagen wir komplizierte – Beziehung zu ihrem Zwillingsbruder, die Liebe zu ihren Kindern, die Wut darüber, dass sie nur weil sie eine Frau ist, komplett andere Chancen hat als z.B. Jaime.
7 Kommentare
Cooler Artikel, ich fand das sehr schön, wie du diese unterschiedlichen "Stärken" herausgearbeitet hast!
Sehr schöner Beitrag 🙂 Kann man eigentlich kommentarlos so stehen lassen, weil alles gesagt ist.
Nur so viel: Mir ist Sansa mittlerweile lieber, weil sie meiner Meinung nach eine deutlichere Entwicklung durchmacht als Arya, aber ich denke, bei Arya kommt das jetzt auch noch.
Wichtig ist vor allem auch, dem Zuschauer/Leser etc die Motivation der Figuren klar zu machen, was im Idealfall natürlich über die verschiedenen Schichten geschiet. Ich finde es doof, was Cersei macht, aber ich VERSTEHE, warum sie es macht. Es ist gut begründet und damit wird entweder das Klischee gebrochen oder aber das Klischee stört mich nicht mehr.
Die geringere Entwicklung bei Arya war mir bisher gar nicht so bewusst, stimmt aber natürlich. Und gerade die Sache mit dem Verstehen der Motivationen halte ich aber übrigens auch für einen ganz wichtigen Schlüssel zu einem richtig spannenden Antagonisten.
Danke, freut mich natürlich 🙂