Auch wenn meine Festplatte überquillt mit Naturfotos, zieht es mich doch immer wieder zum Botanischen Garten der Westfälischen Wilhelms-Universität in meiner Wahlheimat Münster. Gerade dann, wenn die Sonne scheint und die Hell-Dunkel-Kontraste sich unglaublich gut mit dem satten Grün der Pflanzen machen. Tatsächlich habe ich da gewisse Lieblingsmotive, die sich wohl auch nicht von Klischees freisprechen können, but I don’t care. Worum ich mir Gedanken mache, sind eher andere Kleinigkeiten. Zum Beispiel das Wörtchen “bizarr”, das ich im Botanischen Garten so oft in kürzester Zeit gehört habe, wie schon lange nicht mehr.
Gerade im Sukkulentenhaus war so etwas wie “Das ist ganz schön bizarr!” sehr häufig zu hören. Abseits der hier mittlerweile sehr trendigen Echeverien gibt es dort auch Pflanzen, die nicht symmetrisch wachsen, Dornen, fleischige “Bäuche” in Rottönen und überhaupt nicht unbedingt eine perfekte, einheitliche Färbung haben und teilweise Meter hoch wachsen. Das als bizarr zu bezeichnen finde ich persönlich fast schon arrogant (in anderen Kontexten sogar gefährlich). Absonderlichkeit “festzustellen” ist für mich nicht die Festellung eines allgemeingültigen Fakts, sondern lediglich ein Aufzeigen, von welcher Perspektive man aus schaut. Es ist für mich mehr Selbstentlarvung als alles andere, schlimmstenfalls noch ein Betonen des eigenen “gesunden Normalseins”.
Alles um uns ist dahingehend aufgebaut, “normale Dinge” angelernt zu bekommen und danach zu streben, so zu sein und sich damit zu umgeben. Gleichzeitig wollen wir den Berg der Inklusion besteigen, aber Haltung und Sprache stimmen oft nicht damit überein. Inklusion bedeutet meiner Meinung nach nicht, zu Normalisieren, also beispielsweise durch das Feststellen von Bizarrheit. Stattdessen ein Aufnehmen aller Dinge, aller Lebewesen als So-ist-es, ohne ein Guck-mal-wie-anders. Der Besuch in einem Botanischen Garten kann da völlig unerwartet eine kleine Bewusstseins-Übung sein.
2 Kommentare
Erstmal das Offensichtliche: Wie genial sind bitte diese Bilder? Sie fangen die Ästhetik dieser vielen wunderbaren Pflanzen ein. Und damit auch, und das ist mein eigentlicher Punkt, die fabelhaften Formen, die die Natur annimmt. Diese Pflanzen wachsen und wachsen wie es ihre Art ist und scheren sich nicht darum, ob sie hübsch sind oder nicht. Und darin liegt für mich eine eigene Form der Schönheit. Wie wunderbar es wäre, wenn wir Menschen so mit uns selbst umgehen und über einander denken würden. ❤️
Lieben Dank für diese tollen Worte ❤️ Sehe es auch so und würde es noch weiter formulieren: Niemand und nichts schuldet irgendwem, das ästhetische Empfinden einer anderen Person zu erfüllen ODER zu begründen, warum es der gewünschten Ästhetik nicht folgt. Aber ich glaube auch, dass ein Verteidigen, ein Begründen, gar nicht erst “nötig” würde, wenn unser Blick auf die Welt nicht geprägt wäre von dem (anerzogenen?) Drang, “Normalität” zu definieren. Man sagt, dass die Gesellschaft pluralistischer geworden ist, aber das macht sie nicht automatisch anders denkend in ihren Grundfesten, meiner Ansicht nach. Und da fängt das Hinterherhinken schon an.