Auch schon vor der Zeit, in der ich begann, mich mit Minimalismus zu beschäftigen, fand ich Sammeln nutzloser Gegenstände furchtbar unpraktisch und eben, ja – nutzlos. Im Rahmen eines kleinen Fotoprojektes habe ich aber mal genauer hingesehen bei mir, bei meinem Umfeld. Denn tatsächlich entschuldigen manche gerne Sammlungen und verdrängen dadurch teils erfolgreich, dass sie da für nichts sammeln oder für etwas, das nicht mehr da ist.
Das Beitragsbild zeigt einen Teil der Streichhölzersammlung meiner Eltern, die in einem riesigen Goldfischglas im Arbeitszimmer meines Vaters schlummert. Meine Eltern sind zum einen Raucher, zum anderen wird man gerade in den USA, die wir alle zusammen viele Monate bereist haben, mit Streichhölzern als Werbemittel zugeworfen (findet jemand das Überbleibsel einer Star-Trek-Con?). Es liegt also nahe, sie generell zu nutzen, aber oft funktionieren die Streichhölzer nicht gut. Oder, wenn eine Packung aufgebracht war, verbanden meine Mutter oder mein Vater sie mit zu vielen schönen Erinnerungen oder fanden die Packung einfach zu hübsch oder witzig, um sie wegzuwerfen. Irgendwann wurden alle Packungen eingesteckt und nie benutzt. Das Vermögen, Erinnerungen zu “speichern” ging ihnen ebenso ab, wie ihre eigentliche Aufgabe, Feuer zu machen. Aber wenn man meine Eltern fragt, ob sie Sammler sind, sagen sie dennoch Nein. Weil die Reisen Vergangenheit sind und das Glas mit den Streichhölzern soweit oben auf dem Regal steht, dass es nicht länger wahrgenommen wird.
Eine Freundin von mir kam vor ein paar Jahren auf die Idee, endlich nähen zu lernen. Dafür ließ sie sich an einem Geburtstag von Freund*innen und Verwandten alles mögliche an Garn schenken. Aus den ersten Wochen der Anfangseuphorie und liebevoll sortierter Garnkiste wurde Desinteresse. Weil sie sich schämte, all den Schenkenden zu beichten, dass sie ihre Idee gar nicht weiterverfolgt hat, brachte man ihr jahrelang immer wieder Garn mit, ohne dass sie jemanden aufklärte oder das Geschenk ablehnte. Mal hier zwei Röllchen, da fünf. Erst, nachdem ich sie wegen Sammlungen fragte, wurde ihr das bewusst und vor allem, wie groß das geworden war – der Impuls, zu verdrängen, das Unausgesprochene und auch die Scham.
Die Farbe Blau ist nicht einmal mein Favorit. Aber dann habe ich doch genug Club Mate in der Anfangszeit meines Studiums getrunken, um diese shiny Schraubdeckel des koffeinhaltigen Getränks (hatte grundsätzlich eine KISTE davon da) immer mehr zu mögen. Irgendwann sogar faszinierend zu finden. Ich studierte Design, also würde ich ja wohl auf eine kreative Idee kommen, was man damit anstellen könnte, um zu zeigen, wie dicke Club Mate und ich sind. Und wie toll dieses Blau ist. Aber erst einmal sammeln, sammeln, sammeln. Nach dem Foto habe ich sie endlich weggeworfen, es tat ein bisschen weh. Aber doch so wenig, wie schon immer vermutet, insgeheim.
Meine Mutter liebt alles, was mit Schreibmaschinen, Papier und Stiften zu tun hat. Schreibmaschinen zu sammeln ist aber etwas kosten- und platzintensiv. Kulis sammeln weniger. Als Dozentin schreibt sie auch sehr viel. “Irgendeiner ist eben immer mal kaputt und warum soll ich neue kaufen, wenn ich welche aufhebe?” Dass die auffallend vielen Defekte von Kulis damit zusammenhängen könnten, dass sie einfach jeden ungeprüft aufhebt und dann doch Jahre, Jahrzehnte nicht anrührt, das schien ihr erst nicht logisch. “Es sind ja auch sehr schöne dabei!”, war eine Art Verteidigungsversuch ihrerseits. Aus sicherer Quelle weiß ich aber, dass sie nach dem Foto nur noch sehr schöne UND auf Funktion getestete Kulis von den ursprünglich fast 200 Stück behalten hat.
Pinterest ist’s gewesen. Was man nicht alles an DIY-Projekten reissen kann! Zeit kann man sich ja nehmen, aber das Material will erst einmal gesammelt werden. Eine Kommilitonin brachte mir einen riesigen Sack voller Weinkorken mit für das Thema “Sammlungen”. “Schmeiß sie bitte alle danach weg, ja? Ich weiß nicht einmal mehr genau, was ich damit machen wollte, irgendwie einen gerahmten Schlüsselhalter oder so. Keine Ahnung. Schmeiß es einfach weg.” Faszinierenderweise juckte es mir nach den Fotos selbst in den Fingern, etwas damit zu machen. So viele Korken! Aber nein, ich mag ja keine sinnlosen Sammlungen. Nein, ich sammle nichts. Nicht nochmal.
Habt ihr Sammlungen, obwohl ihr euch nicht als Sammler wähnt? Erzählt doch gerne etwas dazu in den Kommentaren!
4 Kommentare
Ich habe mehr notizbücher als ich jemals mit meiner Mikrohandschrift füllen werde, und eine erschreckende Anzahl an Schrebifeder die ich nie anrühre…
Notizbücher waren früher auch meine Sammelleidenschaft, kann ich gut nachvollziehen 🙂 Heute gucke ich die mir gar nicht mehr richtig an im Handel und möchte explizit keine geschenkt bekommen. Nur, wenn ich ein neues Projekt habe, wird ein neues gekauft. Das nächste dauert also noch, haha, die Projekte wollen erstmal beendet/überarbeitet werden…
Wie sind die Schreibfedern gelagert? Kann man sie sehen oder hast du sie in Kisten verpackt? Vielleicht mal sichtbar in der Wohnung machen oder überlegen, ob man sie, bei Nichtbenutzung, verschenkt an verschiedene Leute, die ebenfalls Freude an Einzelstücken hätten?
Das ist gerade wegen der Marie Kondo-Debatte doch ein spannendes Thema! Ich sammle Papier: In Buchform natürlich – aber auch ausgeschnittene Bilder von Zeitungen, Magazinen, etc. Oder Fotos oder Poster uvm. Meistens nicht mal gekauft, sie kommen einfach “zu mir”. Die Sachen klebe ich dann an meine Wand. Und that’s me.
Finde die Hintergrundgeschichte zur Garnsammlerin und die Streichholzvitrine besonders faszinierend! Die meisten Sammlungen sind nutzlos, doch sie tragen immer etwas von der Persönlichkeit des Sammelnden mit sich.
LG
Mewa
Hallo Mewa, danke dir für dein Feedback und deine Gedanken ♥
Das ist gerade wegen der Marie Kondo-Debatte doch ein spannendes Thema!
Dachte ich auch (obwohl Sachlichkeit eine Art “Stil” ist, der in seiner Nüchternheit nicht so gut angenommen wird. Ich liebe Sachlichkeit, auch wenn diese Fotos recht zeitintensiv waren). Das ganze Ding an sich ist schon 5 oder 6 Jahre alt, aber jetzt gerade hielt ich es für sinnig, es vom Staub durch Herumliegen auf meinem alten Blog zu befreien.
Ich sammle Papier: In Buchform natürlich – aber auch ausgeschnittene Bilder von Zeitungen, Magazinen, etc. Oder Fotos oder Poster uvm. Meistens nicht mal gekauft, sie kommen einfach “zu mir”. Die Sachen klebe ich dann an meine Wand. Und that’s me.
Oh, das habe ich auch lange gemacht ♥ Bin jetzt auf digital umgestiegen, zumal ich mir kaum Zeitschriften leisten kann. Aber finde den Gedanken schön, dass man dann und wann, wenn es einen packt, mit Hilfe so einer Sammlung spontan neu dekorieren zu können 🙂
Finde die Hintergrundgeschichte zur Garnsammlerin und die Streichholzvitrine besonders faszinierend! Die meisten Sammlungen sind nutzlos, doch sie tragen immer etwas von der Persönlichkeit des Sammelnden mit sich.
Die mag ich auch am liebsten! Wobei alle Geschichten letztlich eint, worauf ich hinaus wollte: das Unbewusste, das Verdrängen, die Leugnung und auch teils Scham.