Instagram beeinflusst mich und die Art, wann ich wie und was ich kreiere. Lange habe mich dagegen gewehrt, aber in manchen Belangen finde ich es mittlerweile sinnvoller, Dinge zu akzeptieren, wie sie sind. Denn dann kann ich meiner Feststellung nach eher daran arbeiten, etwas zu verändern (zumindest an den negativen Aspekten). Als Kea von Garnier auf ihrem Instagram ihre Gedanken zu Kunst und Instagram formulierte, wurde es auch einfach Zeit.
Wie geht es euch mit der App? Beeinflusst sie euren kreativen Prozess und wenn ja, in welcher Weise, positiv wie negativ? Fühlt ihr Druck oder befeuert es euch, wie lebt es sich als Künstler*in in den Wellen des Feeds?
“Einfluss” ist für mich per se kein Wort, das konkret positiv oder negativ ist. Wenn ich also sage, dass Instagram mich beeinflusst, sage ich damit nur aus, dass die App und ich in einer Verbindung stehen. In dieser agiere ich zugegebenermaßen nicht mehr nur aus völlig intrinsischer Motivation heraus (ich trage nicht nur Inhalt in die App, im Inhalt findet sich die App, mal bewusst, mal unbewusst) und lerne dort auch Neues, das ich in mein Schaffen integriere oder von dem ich mich abgrenze als Findung eines aktuellen (nicht unveränderlichen) Kerns meiner Selbst. Anfangs dachte ich, ich poste dort einfach nur Fotos. Ich pflege aber mittlerweile kein Fotografie-Portfolio mehr, wie alle die Jahre zuvor, denn Fotografie ist nicht mehr Fokus meines Lebens (auch wenn ich sie nach wie vor liebe) bzw. nicht mehr die eine Form, mit der ich mich ausdrücken möchte. Gewissermaßen ist eine Art Storytelling Schwerpunkt geworden, zumeist Texte mit Begleitbild oder Bild mit Begleittext, hier und da ein paar Gehversuche in Sachen Illustration eingestreut. Dahin zu kommen, wo ich jetzt bin, hat mir Instagram aber spannenderweise enorm erschwert. Oder vielleicht war dafür mein unbedingter Wille verantwortlich, Instagram bzw. Accounts zu analysieren, als könnte ich einen Algorithmus meines eigenen künstlerischen Arbeitens entwickeln, der mir hilft, mich sicherer zu fühlen in dem was ich tue und wer ich bin. Positiv gesehen führte dies aber auch dazu, dass ich mich und das, was ich mit dem möchte, das ich ins Netz stelle, nun besser verstehe.
In die Stimmlosigkeit schlittern
Als in mir der Wunsch reifte, meinen Instagram-Auftritt ein wenig zu professionalisieren, schaute ich mir Accounts mit hohen Follower-Zahlen und hoher öffentlicher Interaktion an. Ich wollte nicht genau dorthin (man kann ja mittlerweile anhand von Ratgebern oder Erfahrungsberichten gut nachvollziehen, wie arbeitsintensiv ein stringent geführter Account und stetige Festung einer Person als Marke sind), aber zumindest andeutungsweise doch die Richtung einschlagen. Eine “Richtung” bedeutete für mich, ein Gestaltungsschema zu entwickeln – in meinem Falle meinte ich damit konkret Farben und Postinhalt. Farbe war nicht schwierig, denn das hatte sich bereits über Jahre des Bloggens und der Bloglayouts bei mir herauskristallisiert. Aber der Postinhalt war dann doch eine harte Nuss. Wollte ich nur Fotos zeigen? Oder auch mal Lyrik? Oder Illustrationen, die ich aber selten anfertige? Häufig, so mein Eindruck damals, legen sich Accounts da auf ein bis zwei Sachen fest.
Bücher zu zeigen, schien mir nahe, wenn ich selbst schreibe. Also entwickelte ich eine Bildsprache, die meiner Ansicht nach zu mir passte und postete Bilder von Büchern. Das Fotografieren machte mir Spaß, denn Produktfotografie ist etwas, das ich nicht nur in meiner Ausbildung zur Werbefotografin gelernt habe, sondern mir auch nach wie vor Freude bereitet. Ich merkte nach ein paar Monaten jedoch, dass ich damit nur anderen und mir selbst ablichtete, was ich gerne wäre, aber nicht war. Also: eine Person, die viele Bücher lesen kann. In Realität war das aber nicht so. Die meisten Bücher, die ich zeigte, waren Bücher, die ich nur vorhatte zu lesen, es aber aufgrund von Job, Studium und des Schreibens nicht schaffte zu lesen. Und ich ertappte mich dabei, wie ich sogar trotzdem weiter Bücher nachkaufte, um davon passend zum aktuellen Diskurs in der Buchbubble ein Foto machen zu können. Oberflächlich betrachtet war ich eine “Bookstagramerin”. In Wahrheit war mir das, was ich da versuchte aufzubauen, nicht ehrlich genug und erschien mir auch irgendwo gewaltig redundant. Ich hatte das Gefühl, keine Stimme zu haben, obwohl ich versuchte, mit anderen in Bildern “mitzureden”.
Um was es mir wirklich geht
Es folgte eine kleine Insta-Krise, in der ich nicht wusste, wo ich hin wollte. Ich eröffnete einen Zweitaccount nur für Fotografie. Ich merkte, dass das Switchen sich bei mir nicht im Alltag bewähren konnte, obwohl ich den Zweitaccount mit seiner nüchternen, kontemplativen Fotografie sehr mochte. Leider ließ ich entweder den einen, oder den anderen Insta-Account schleifen. Die finale Erkenntnis aus diesem “Experiment” war: Ich vermisste weiterhin das Fotografieren. Und daher löschte auf meinem Hauptaccount alle Bilder und ich löschte den Nebenaccount. Kein Abschied – sondern ein Neustart.
Warum wollte ich mich nicht verabschieden? Es quälte mich definitiv, wieviel Zeit ich in Form von Gedanken, Schlachtplänen und Fotografie ich bereits in die App gesteckt und das nun alles für zu unstimmig befunden hatte, um mich weiter zu repräsentieren. Zugegeben – ich spielte mit dem Gedanken, zu gehen. Dann aber traf mich etwas ganz anderes unerwartet hart: meine eigene Haltung. Instagram war ein reines Instrument zur Selbstinszenierung für mich geworden. Dabei gibt es so viele Menschen dort, die ich für ihr Schaffen bewundere: für ihre schönen Feeds, für ihre lustiges Stories, für ihre anregenden Texte, schöne Bildbeiträge. Genauer betrachtet, bewunderte ich stets Versatzstücke; es ging mir selbst nie darum, einen Insta-Account zu 100% zu mögen. Warum ich dann versuchte hatte, mich gewissermaßen fast 100% anzupassen mit meinen Buchbildern? Es war mir ein Rätsel. Aber ich nahm das, was mir punktuell woanders gefiel und fragte mich selbst, warum es mir gefiel. Die Gründe waren ebenso unterschiedlich. wie die Dinge, die ich mochte. Mal war es einfach nur Bewunderung ob jahrelang entwickelter Kunstfertigkeit in Sachen Illustration, mal waren es kurze Gedichte, die mich den Alltag vergessen ließen oder saloppe Gedankenanstöße, die mich zum Grübeln brachten etc. pp. Wollte ich alles sein, was ich mochte? Geht das überhaupt? Ich überlegte lange. Eigentlich, zu diesem Schluss kam ich, geht es mir nicht darum, wie andere zu sein – sondern darum, Dinge, die ich mochte, ohne Zwang zu tun. “Zwang” meine ich übrigens nicht negativ. Wäre ich noch als Werbefotografin tätig, würde ich auch die Bildsprache der Zeit berücksichtigen, sie analysieren und mich da stets entwickeln, um den Kund*innen zeitgemäße Arbeit zu liefern und Aufträge zu erhalten. Wenn ich diese Auflage der Kommerzialisierung nicht habe, fühle ich mich offener in meinen Möglichkeiten, zu schaffen und zu präsentieren. Vor allem bedeutet das für mich: Ich muss nicht einmal glauben, eine Kunst gemeistert zu haben. Ich muss nicht versuchen, den Eindruck zu erwecken. Ich stelle auf die virtuelle Fensterbank etwas ab zum Kühlen.
Zeit zu gehen um zu bleiben
Die Auseinandersetzung mit dem, was ich auf Instagram zeigen wollte, brachte mich in die ebenso schwierige wie glückliche Situation, mein Tun ehrlicher zu betrachten und mir selbst die Rechtfertigung zu geben, sich nicht festlegen zu müssen. Ich bin nicht Autorin, ich bin Autorin. Ich bin nicht Fotografin, ich bin Fotografin. Ich bin nicht Designerin, ich bin Designerin. Ich bin alles zusammen, zu jeder Zeit, zu meiner Zeit und nach meinen Regeln (siehe auch Das Ich ohne Markt, ein Blogpost, der aus dieser Auseinandersetzung heraus entstand). Und Instagram bietet mir überdies die Möglichkeit, an allen Ecken und Enden zu bewundern, was andere so schaffen, motiviert zu bleiben, sich selbst auf Instagram zu öffnen. Früher waren es Blogs, die mich so motivierten, dieses Potential hatte sich hinüber zu Instagram verlagert, war komprimierter und leichter zu konsumieren (eine andere Sache, die ich gut, aber auch schlecht an Instagram finde, aber in diesem Blogpost nicht als weitere Baustelle aufmachen möchte).
An diesem Punkt hatte ich bereits wieder begonnen, auf Instagram zu posten, erst einmal nur Bilder. Ich fühlte mich befreit, das war geradezu kathartisch. Ich bekam ehr Follower und wundervolles Feedback von anderen, wie sehr ihnen mein Feed gefalle. Ich war im Himmel. Aber an Katharsis und die ominöse Wolke 7 glaubte ich nur so lange, bis Instagram den Algorithmus umstellte und meine durchschnittliche Like-Zahl pro Post drastisch hinunterging. Ohne es zu merken, wovon mein Gefühl der Befreiung abhängig war, hatte ich mich selbst erneut in eine dunkle Ecke verfrachtet (und eine Abhängigkeit von Instagram vielleicht doch nie wirklich aufgebrochen). Ich ärgerte mich, dass Instagram zerstörte, was ich mir mühsam aufgebaut hatte, wo es doch zu funktionieren schien, authentischer zu sein. Dann jedoch ärgerte ich mich, dass ich mich ärgerte. Klingt ungesund, ich weiß. Daher pausierte ich Social Media und das war eigentlich die zweite gute Sache, die mir durch Instagram passierte: Abstand, mit einer Prise Einsiedelei. In dieser Zeit schrieb ich fast einen ganzen Roman, ich fotografierte wieder mehr, schrieb Gedichte und kümmerte mich um die Konzipierung und Bebilderung meines Chapbooks. Was alles so geht, wenn man mehr Zeit hat (und begreift, dass diese immer schon da war).
Mittlerweile ist Instagram in meinem Kopf eine Last-Minute-Reise ins Land der Inspiration und Selbstbestätigung. Mal hat man Glück mit Route und Vehikel, mal nicht. Wenn ich merke, dass es mir mit der Währung Zeit doch zu teuer wird, weil Zeit gerade besser woanders angelegt wäre, trete ich die Reise aber einfach nicht an. Und selbst wenn ich sie nicht antrete, habe ich künstlerisch (vor mir!) nicht verloren (auch wenn Instagram darauf mit reduzierter Sichtbarkeit reagiert), denn ich sehe wieder, was mir schon direkt vor der Haustür gut gefällt und was ich eigentlich auch sogar vermisst habe. Was ich nicht mehr tun will: Nur reisen oder nur bleiben. Ich mag beides, beides steht auch mehr in Verbindung, als ich anfangs glaubte. Was ich auch nicht mehr tun will: Instagram entweder als Inspiration/Motivation für das eigene Schaffen sehen oder nur als Möglichkeit, über Erreichbarkeit Selbstbestätigung zu finden. Ich fühle mich in keiner Weise damit “erhaben”, eines der beiden Dinge auszuschließen oder zu bevorzugen. Wenn ich merke, dass ich aber wieder einen Tunnelblick entwickele und mich nur auf eines ausrichte, krampfhaft versuche, irgendein ein kurz- oder mittelfristiges Ziel zu erreichen (z.B. eine bestimmte Zahl ein Likes durch hochfrequentes Posten), bevor ich wieder an andere Dinge denken “darf” und unnötig viel Zeit in etwas stecke, das mich final eher einschränkt, als bereichert – dann nehme ich eben wieder Abstand. Trete die Reise nicht an, bleibe, gehe offline. Aber immer mit dem Ziel, zurückzukehren.
Der Titel kommt von den Helden übrigens, aus dem Liedtext von “Gekommen um zu bleiben”.